RWJ 11/2020: Revierbewirtschaftung digitalisieren
Zettelwirtschaft adé
Jeder Vorgang, der sich digitalisieren lässt, wird schon bald auch über digitale Arbeitsschritte erfolgen. Das gilt auch für das Führen von Streckenlisten im Jagdrevier. Thomas Rödding hat digitale Strukturen aufgebaut, die dabei helfen, jeglichen Verwaltungsaufwand von Zetteln auf eine digitale Plattform zu heben.

Die digitale Wildmarke hat das Zeug, viel lästigen Papierkram zu erleichtern.
Drückjagd im Nieselregen – die Schützen können sich gegen die Witterung schützen. Doch wer die Organisation verantwortet, quält sich bei so‘m Schiet-Wetter oft genug mit nassen Zetteln auf glitschigen Klemmbrettern herum. Ist die Jagd gelaufen, folgt in den nächsten Tagen die Übertragung von verschmierten Zetteln in eine Excel-Tabelle. Wäre es nicht eine große Erleicherung, wenn man diese Arbeit digitalisieren könnte ? Eine vielversprechende Option bietet nun eine speziellen Wildmarke in Kombination mit einer Handy-App.
IT-Entwickler und Jäger

Thomas Rödding mit Frodo in seinem Revier in Hessen. Der jagende IT-Unternehmer ist überzeugt, dass sich viele Arbeitsschritte durch Digitalisierung besser strukturieren und damit vereinfachen lassen.
Thomas Rödding ist seit gut 30 Jahren im Geschäft und hat für unterschiedlichste Firmen IT-Lösungen entwickelt. Seit einigen Jahren ist der Münsteraner nun Jäger und führt den Kleinen Münsterländer Frodo. Bei der Revierverwaltung und Wildbretverwertung in seinem hessischen Revier reifte der Gedanke, die ganze Zettelwirtschaft auf eine digitale Ebene zu heben, um Arbeitsabläufe zu vereinfachen – die Geburtsstunde der Digitalen Wildmarke, die mittlerweile auch in Betrieben wie dem Fürstlichen Forstamt Bückeburg (NS) eingesetzt wird.
Digitalisierung erleichtert Arbeit
Rödding glaubt, dass jeder Arbeitsschritt, der sich digitalisieren lässt, auch digitalisiert werden wird – weil die Vorteile auf der Hand liegen. An der Jagd wird sich deswegen nichts ändern, dazu benötigt man weiter Gewehr, Fernglas und Messer. Doch die ganze Organisation, die die Betreuung eines Reviers mit sich bringt, kann durch passende Technik erheblich erleichtert werden.
Wie´s funktioniert

Dieser kleine Scanner verpasst dem Chip in der Wildmarke eine eindeutige, digitale Num-mer: die Grundlage der Rückverfolgbarkeit.
Im Kern ist die Digitale Wildmarke eine klassische Kunststoff-Marke, die man wie eine Wildursprungsmarke am Wildkörper befestigt. Darin befindet sich ein Chip, der mit einer einmaligen, klar zuzuordnenden Nummer versehen ist, mit der sich ein markiertes Stück immer eindeutig identifizieren lässt.
Informationen digital speichern

Die Digitale Wildmarke – der Code unter dem Wappen ist vom Computer erstellt, einmalig und auf dem Chip gespeichert – so kann kein Stück Wild verwechselt werden.
Jedes aktuelle Handy verfügt heute über einen NFC-Funk-Scanner (Near Field Communication), der etwa auch beim kontaktlosen Bezahlen im Supermarkt zum Einsatz kommt. Sichert man die Wildmarke mit dem Handy per NFC-Scanner oder QR-Code, öffnet sich die zugehörige App. Dort lassen sich jedem Stück zahlreiche Informationen wie Wildart, Geschlecht, Gewicht, Erleger, Erlegungsort oder Schussqualität zuordnen.
Diese Informationen werden in der sog. Cloud, also auf einer Online-Plattform, gespeichert und sind immer wieder abrufbar. Das funktioniert auch erstmal ohne Funknetz. Die Übertragung erfolgt, sobald wieder Netz vorhanden ist.
Das Ausfüllen kann in der Wildkammer oder direkt am erlegten Stück erfolgen – je nachdem, wie es sich im Revier anbietet.
Für Ansitz oder Drückjagd

Scannt man die am Wildkörper befestigte Wildmarke, öffnet sich eine App, in der alle relevanten Informationen zum Stück hinterlegt werden können. Auf diese Daten kann im weiteren Verwertungs- und Verwaltungsprozess immer wieder zurückgegriffen werden.
Das Verfahren lässt sich sowohl bei der Einzeljagd als auch bei großen Gesellschaftsjagden anwenden – ob man den Maibock nach dem Ansitz in die Kühlung hängt oder der Ansteller damit nach der Drückjagd 10 von Jagdgästen erlegte Stücke dokumentiert – der Prozess ist immer der gleiche.
Die App speichert auch den genauen Erlegungsort. Diese kann man sich auf einer Revierkarte, die wie Google Maps funktioniert, anzeigen lassen. So lässt sich über die App nachverfolgen, wo im Revier im Jahresverlauf Wild erlegt wurde oder welche Stände auf der Drückjagd Beute gebracht haben – und welche nicht.
Wer möchte, kann auch seine Waage mit der App koppeln und das Gewicht des Wildes automatisch in den Datensatz übertragen. Man kann aber auch einfach abwiegen und den Wert händisch über die App eintragen.
Am Ende des Jagdjahres kann die Streckenliste aus der App sehr einfach in eine Excel-Tabelle gezogen werden, um sie etwa per E-Mail bei der Unteren Jagdbehörde einzureichen.
Trichinen-Probe abgeben
Außerdem lässt sich die Trichinen-Probe erleichtern – spezielle, dichte Kunststoff-Tütchen können per Scanner und QR-Code ebenfalls einem erlegten Stück Wild zugeordnet werden. Legt man etwa den Zwerchfellpfeiler einer Sau in die Tüte, hat man eine nicht mehr zu verwechselnde Trichinen-Probe fürs Veterinäramt – einfacher und sicherer, als Plastiktüten mit Edding zu beschriften.
Verwertung in Auftrag geben
Die App erleichtert die Dokumentation der Strecke. Darüber hinaus gibts aber noch mehr Möglichkeiten, etwa zur Verwertung und Vermarktung von Wildbret. Es gibt Schnittstellen, um die Daten bequem in die Auftragsprogramme der Metzger zur Wildbretverwertung zu geben. Dabei lässt sich direkt hinterlegen, wie die einzelnen Teile vom Fleischer weiterverarbeitet werden sollen. Außerdem lässt sich festlegen, was auf dem Etikett stehen soll, die Daten werden dann automatisch übertragen und gedruckt.
Über einen QR-Code auf der Verpackung eines vakuumierten Rehrückens, erfährt der Verbraucher später, wann und wo das Tier erlegt wurde – je nachdem welche Informationen man hinterlegt hat. Diese Transparenz und Rückverfolgbarkeit kann einen höheren Wildbretpreis rechtfertigen.
Attraktiv für den Handel
Außerdem gibts weitere Schnittstellen, etwa für Kassensysteme in Hofläden oder Onlineshops, sowie zur Preiskennzeichnung. Das System ist dazu ausgelegt, Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten und Wild-Produkte für den Handel verkaufsfertig zu machen. Gibt das professionelle Etikett Auskunft über Wildart, Herkunft und Erlegedatum, gelingt die Vermarktung im Hofladen oder im Supermarkt besser als mit einem mit Edding beschriebenen Vakuum-Beutel.
Wildursprungsscheine bedrucken
Mittlerweile besteht sogar die Möglichkeit, Wildursprungsscheine mit Durchschlag durch in Arztpraxen übliche Drucker auszufertigen – für rund 350 € nicht für jedes Revier eine Option. Wer aber jedes Jahr Dutzende Wildursprungsscheine per Hand ausfüllen muss, denkt vielleicht über so eine Investition nach.
Die RWJ-Redaktion wird das System auf mehreren Drückjagden auf seine Praxistauglichkeit überprüfen und weiter über diese spannende Innovation berichten.
Felix Höltmann
Kommentar
Besser nutzen statt verdammen
Ich bin weder Digital-Native noch Computer-Nerd. Ich liebe Gewehre mit edlem Holzschaft, Lodenmäntel und Zeitungen aus Papier. Gerade bei der Jagd will ich möglichst wenig Technik einsetzen, um mir die Geheimnisse der Natur nicht zu rauben.
Aber wenn es um die Organisation und Verwaltung eines Reviers geht, kann uns die Digitalisierung nützlich sein und Arbeit erleichtern. Deshalb bin ich der Meinung, dass uns gut durchdachte Apps bei der Jagd – zumindest in diesem nachgelagerten Bereich – helfen können.
Rückverfolgbarkeit von Wildbret schafft Transparenz, die einen höheren Preis rechtfertigt.
Und da die Anforderungen der EU hinsichtlich Wildbrethygiene und Dokumentation in Zukunft sicher eher steigen werden, können uns passende Werkzeuge nicht schaden.
Felix Höltmann