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RWJ 11/2022: Editorial

Hubertus-Spagat

In diesen Tagen dreht sich unter Jägern vieles um Brauchtum und Tradition, unseren Schutzpatron und unser Wappentier – Hubertuskonzerte, Hubertusmessen, Hubertusjagden – doch wie wird man Hubertus im Jahre des Herrn 2022 noch gerecht, wie halten wir unser Wappentier in Ehren ?

Heitzig Nicole

Wer würde sich heute noch an einen verruchten Pfalzgrafen im 7. Jhdt. am französischen Hof des Merowingers Theuderich erinnern, mit einem Leben in Saus und Braus und ohne Maß ? Der bekannten Hubertus-Legende zufolge, die vermutlich erst einige Jahrhunderte nach seinem Tod entstand, änderte sich alles durch die Begegnung mit einem Hirsch – unserem Wappentier. Bis heute ver-
ehren wir den gleichen Mann als Bischof von Lüttich & Maastricht im 8. Jhdt., eine Metamorphose mit Alleinstellungsmerkmal: Ein Mächtiger, der gerade kein Jäger war (sondern übler Schießer), hängt die Flinte (damals seine Armbrust) an den Nagel, stellt nie wieder dem Wilde nach ... und gilt bis heute als der Mahner für die Achtung vor Kreatur und Schöpfung.

Ausgerechnet einer, der nie anständig jagte, wird Schutzpatron der Jäger – St. Hubertus. Warum ? Weil er durch sein Gewissen und seinen Glauben die Mitte wiederfand, sein Maß. Und weil er Respekt vor dem Tier als Mitgeschöpf entwickelte. Die erste der drei Säulen der Waidgerechtigkeit. Darin liegt bis heute sein Vorbild für uns – stets nach dem rechten Maß zu suchen und respektvoll vor Tier, Natur und Mitmenschen zu jagen. Das allerdings wird gerade rund um unser Wappentier immer schwieriger, ja fast zur unlösbaren Aufgabe:

Ginge es nach einigen wenigen, aber in der Debatte sehr Lauten, sollte man wiederkäuendes Schalenwild als Schadfaktor einfach nur eliminieren, auch in der Forst-Jagd-Debatte gibt es ein Lager mit vermeintlich ganz einfachen Lösungen. Dass die Jäger zwischen Rhein und Weser an der Seite der Waldbesitzer stehen (und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern mit nachhaltig erhöhten Rehwild-abschüssen rund um die riesigen Kalamitätsflächen!), passt dabei so gar nicht ins monokausale Weltbild dieser Wald-vor-Wild-Verfechter.

Auf der anderen Seite mahnt uns eine ganz aktuelle Studie (Erstveröffentlichung in diesem RWJ – nur einmal umblättern) zum richtigen Maß im Umgang mit unserem Wappentier, der größten heimischen Wildart, dem Rothirsch. Auch in NRW ist das Rotwild und seine zunehmend verinselten Lebensräume in Gefahr. Gerade deswegen eignet sich unser Wappentier auch heute noch so vortrefflich als Symbol für unseren Einsatz als Jäger. Wie der heilige Hubertus aus Achtung vor einem mächtigen Rothirsch einst das rechte Maß wiederfand, sind wir alle heute aufgerufen, diesem faszinierenden Wildtier in unserer heutigen Kulturland-

schaft zu helfen. Das kann auf ganz unterschiedliche Weise erfolgen – das Gutachten von Prof. Reiner (s. Rotwild in NRW) bietet eine Fülle von Ansätzen, mit denen Wald und Wild geholfen wäre. Ganz ohne Zweifel muss mancherorts auch der Gesamtabschuss erhöht werden – jedenfalls solange es dort durch überhöhte Bestände zu unzumutbaren Waldschäden kommt. Das geht nur mit dem Fokus auf das weibliche Wild – und zwar waidund tierschutzgerecht. Dabei steht unsere klare Position zum Muttertierschutz niemals zur Debatte. Die Studie und ihre Folgerungen hätten dem Hl. Hubertus sicher gefallen.

Zurück zu unserem Brauchtum in diesen Tagen – Tradition, liebe Jägerinnen und Jäger in Nordrhein-Westfalen, Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers !

Lassen Sie uns gemeinsam weiter an dieser Flamme arbeiten – ich wünsche Ihnen allen Waidmannsheil zum Hubertustag 2022 !

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In diesen Wochen kulminiert die Brunft des Damwilds – die hohe Zeit der Schaufler ... Titelbild: K. - H. Volkmar

Zum Titelbild: In diesen Wochen kulminiert die Brunft des Damwilds – die hohe Zeit der Schaufler ...

Titelbild: K. - H. Volkmar


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