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RWJ 03/2023: Editorial

Die Büchse der Pandora

Kürzlich erschien in einem renommierten Jagdmagazin ein Bericht zum Einsatz von Wärmebild-Drohnen zur gezielteren Sauen-Bejagung vor und bei Bewegungsjagden. Wie sich im Nachgang zeigte, auch äußerst effektiv. Begründet wurde der Einsatz dieser Technik mit dem Ruhebedürfnis der übrigen Schalenwild-Arten, dazu erhoffe man sich aus dem dadurch erzielten Wissen bessere Informationen zur Rottenstruktur – und könne die Freigabe dann besser darauf abstimmen

Editorial

Lutz Schorn Vizepräsident des Landesjagdverbandes NRW

Für mich ist damit der oft zitierte und mittlerweile durch viele technische Neuerungen (Wildkameras mit unmittelbarer Bildübertragung aufs Handy, Nachtzieltechnik) sowieso schon nahezu ausgehöhlte Begriff des Fairplays gegenüber dem Wild (ein elementarer Bestandteil von dem, was ich unter Waidgerechtigkeit verstehe) eindeutig überschritten.

Bisher war und ist der Einsatz von Wärmebild-Drohnen in Jägerhand im

Rahmen der Kitzrettung in der öffentlichen Wahrnehmung sehr positiv besetzt. Die Finanzierung läuft häufig mit staatlicher Förderung oder über sehr erfolgreiche Spenden- oder Sponsoringaktionen, an denen sich selbst eingefleischte TierschützerInnen bereitwillig beteiligen.


Genau diese Wahrnehmung („Jäger retten Kitze mit High-Tech-Drohnen“) wird auch bei der in wenigen Wochen beginnenden Grünlandernte wieder einen einzigartigen Imagegewinn für uns Jäger bringen. Würde dagegen der effizienz-steigernde Jagdeinsatz dieser Geräte in den Medien die Runde machen, fiele auf die wertvollen Aktionen ungezählter Kitzretter-Teams zwischen Rhein und Weser auf einen Schlag ein dunkler Schatten. Darüber hinaus drängt sich ja geradezu die Frage auf, warum der Spionage-Einsatz von Wärmebild-Drohnen zur Effizienzsteigerung auf Bewegungsjagden bei den Sauen enden sollte – warum nicht auch bei anderen Schalenwildarten, etwa rund um Wiederbewaldungs-flächen ...

Wollen wir das wirklich? Verabschieden wir uns dadurch nicht endgültig vom eigenen wertvollen, über Jahrzehnte stolz erarbeiteten Anspruch, Anwalt der Wildtiere sein zu wollen?

Für mich persönlich bedeutet Jagd unabdingbar vor allem Handwerk, abseits von Technik: Schauen was draußen im Revier los ist, Wechsel kontrollieren, Fährten lesen und vieles mehr ... archaisch vielleicht – aber SO ist Jagd, DAS ist Jagd auch im dritten Jahrtausend.

Da darf all‘ sorgsame Planung auch mal ins Leere laufen (die Strecke allein macht sicher nicht den Wert einer Jagd aus)...und beim nächsten Mal läufts dann unerwartet umso besser. Wertvolle Lerneffekte, Jagd ist alle Tage neu. Wir sollten besser nicht versuchen, Natur und Jagd kalkulierbarer zu machen. Der Natur ihre Geheimnisse zu lassen, sie einfach zu respektieren wie sie ist, bedeutet letztendlich auch einen Mehrwert für die naturnahe Jagd.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Begriffe wie Waidgerechtigkeit und Ethik nicht unter die Räuber kommen, sondern uns die damit verbundenen Ansprüche wie das ganz bewusste „Nicht-Ausreizen“ jeder modernen Technik als elementare Bestandteile im Alltag der Jagd draußen in den Revieren leben! Ein bisschen Beschränkung tut uns allen gut.

 

Zum Ursprung des Sprichworts:

Editorial

Die Büchse der Pandora entstammt der griechischen Mythologie: Demnach war Pandora die erste Frau auf der Welt. Göttervater Zeus erschuf sie als Strafe für die Menschheit – die wunderschöne Pandora sollte eine geheimnisvolle Büchse an alle Menschen weitergeben, ihnen aber verbieten, diese zu öffnen. Aus Neu-gier öffnete sie die Büchse selbst – und darin war alles Schlechte! So breiteten sich Krankheiten, Tod und Übel über die Menschheit aus. Wer also heute noch die Büchse der Pandora öffnet (die sich nicht mehr schließen lässt), bedroht die Welt sprichwörtlich mit allem Schlechten.

 

Titelbild: K. - H. Volkmar

 


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